Vereinsgründung zur parteinahen Stiftung der Piratenpartei

Am gestrigen Samstag, dem 6.4.2013, fand die Gründungsversammlung des gemeinnützigen Vereins statt, der als Grundlage einer sogenannten parteinahen Stiftung der Piratenpartei aufgebaut werden soll.
Als Versammlungsleiter dieser Gründungsversammlung möchte ich hier kurz darüber berichten. Die Veranstaltung wurde über die gesamte Dauer von fast 8 Stunden live im Internet übertragen (video streaming) und es wurde auch eine Aufzeichnung gemacht, deren Adresse (URL) ich unten ergänzen werde, sobald sie verfügbar ist.
Sie fand in Frankfurt-Bockenheim im Tagungszentrum Ka-Eins statt und war von einem Arbeitskreis (akroadmap.wordpress.com) der ‚AG parteinahe Stiftung‚ vorbereitet worden.
Die Vorarbeiten in dieser AG gehen bis ins Jahr 2009 und auf Beiträge einer Vielzahl von Personen zurück.

Die Tagesordnung dieser Gründungsversammlung umfasste naturgemäß die folgenden Punkte. Nachdem sich die 22 Anwesenden über das Streaming und die Aufzeichnung verständigt hatten, sind Versammlungsleiter (Jens Seipenbusch), Wahlleiter (Babak Tubis) und Protokollführer (Christian Fleißner) bestimmt worden.

Der wichtigste und umfassendste Punkt war im Anschluss die ausführliche Befassung und Diskussion des vorliegenden Satzungsentwurfs, der noch an einigen Stellen verbessert wurde. Die grundsätzliche Form der Satzung wurde dabei erhalten und damit auch die Grundstruktur der Vereins mit seinen vier Organen, der grundsätzlich für jeden offenen Mitgliederversammlung sowie dem Vorstand, dem Verwaltungsrat (einer Art Aufsichts- und Kontrollgremium) und dem beratenden Kuratorium (einer Art Fachbeirat).
Ähnlich wie in den zahlreichen Vorbereitungssitzungen nahm der „§2 Zweck“ den größten Teil der Diskussionszeit ein. Da dieser Abschnitt für eine politische Stiftung eine auch formal sehr stark festgelegte Rolle in der Beurteilung durch öffentliche Stellen hat, wurden hier nur kleinste Änderungen in den schon sehr ausgereiften Formulierungen des Entwurfs gemacht. Einer erst tags zuvor eingegangenen Empfehlung aus einem Schreiben des Finanzamts für Körperschaften, die Liste der einzeln aufgeführten Ziele drastisch auf zwei herunterzukürzen wurde letztlich nicht entsprochen. Da sich diese Aufführung von Zwecken zum Teil eng an die Abgabenordung (§ 52 Gemeinnützige Zwecke ) anlehnt, hätte dies zu einer starken Einschränkung der Betätigungsmöglichkeiten des Vereins geführt. Zudem waren unter den Anwesenden zahlreiche Personen mit Vereins- und Stiftungserfahrung, die aus ihren Erfahrungen mit solcherart Problemen berichten konnten und diese Entscheidung damit stützten.
Im Abschnitt über den Verwaltungsrat (§9) wurden zwei wichtige Festlegungen getroffen: Zum einen wurde das Mindest-Quorum der Besetzung dieses Gremiums auf 16 Personen festgelegt. Zum zweiten ist es dem Verwaltungsrat durch die Streichung einer einschränkenden Bedingung nun jederzeit ohne Grund möglich, der Mitgliederversammlung die Abwahl eines Vorstandsmitglieds vorzuschlagen.
Ein Mindestquorum von 16 Personen bedeutet in der jetzigen Satzung faktisch eine Einbindung von 8-16 Landesverbänden der Piratenpartei (oder deren benannten Vertretern) als kandidatenvorschlagende Einrichtungen. Dies ist ein klares Signal an die Partei, dass dieser Verein sich um eine möglichst breite Zustimmung und Mitwirkung bei den Mitgliedern bemühen wird.
Als Sitz des Vereins wurde aus schon im Vorfeld ausdiskutierten, rein pragmatischen Gründen Berlin festgelegt. Der Name des Vereins wurde in einem zeitsparenden mehrstufigen Verfahren gefunden. Zunächst durfte jeder der Anwesenden Vorschläge in einen Hut werfen. Diese Vorschläge wurden dann kurz verlesen und anschließend konnte jeder Anwesende zu den Vorschlägen ein kurzes eigenes Plädoyer halten. Nach einer ersten Akzeptanzwahl blieben zunächst drei Vorschläge übrig, danach noch zwei, zwischen denen eine Stichwahl stattfand. Der Verein wird demnach den Namen ’42 e.V.‘ tragen.
Persönlich möchte ich dazu anmerken, dass ich aus hier nicht näher durch Erläuterung aufzuwertenden Gründen gegen diese Namenswahl war, aber die überwiegende Mehrheit der Versammlung sich eben dafür entschieden hat. Als wichtige Argumente in der Namensdiskussion wurden eine wahrnehmbare Abgrenzung gegenüber den als angestaubt empfundenen Namensvorschlägen mit Namensbestandteil ‚Stiftung‘ sowie der erwünschte ‚Pepp‘ im Gegensatz zu den eher als austauschbar empfundenen anderen Vorschlägen aufgeführt. (Wikipedia-Artikel zur Bedeutung der 42)

Anschließend wählte die Versammlung einen Vorstand. Dabei wurde Lore Reß einstimmig und unter großem Beifall der Anwesenden zur Vorsitzenden des Vereins gewählt.
Als stellvertretender Vorsitzender wurde Werner Trapp und als Schatzmeister Sven Seele gewählt. Die Versammlung wählte anschließend zusätzlich Beate Kesper, Christian Fleißner und Knut Bänsch in den Vorstand, der aus bis zu 12 Personen bestehen kann.

Die ebenfalls auf der Tagesordnung angesetzte Wahl des Verwaltungsrats wurde nach kurzer Diskussion auf die kommende erste Mitgliederversammlung verschoben.
Durch den letztlich zu kurz angesetzten Vorlauf im Verfahren gab es ohnehin nur sechs satzungskonforme Kandidatenvorschläge für vier Plätze und es waren auch die meisten von diesen durch Terminkollisionen an der Teilnahme gehindert. Für diesen Fehler möchte ich mich bei dieser Gelegenheit entschuldigen, da er zum Teil auf eine Fehleinschätzung meinerseits zurückgeht. Im Ergebnis werden nun bis zur Herstellung der Handlungsfähigkeit des Verwaltungsrats dessen Aufgaben von der Mitgliederversammlung wahrgenommen. Dies war bereits in der Satzung so vorgesehen und es kommt nun zum Tragen.
Vor dem Hintergrund, dass einige Landesverbände in den nächsten Monaten Landesparteitag abhalten werden, ist nun der Vorstand des Vereins beauftragt worden, eine erste Mitgliederversammlung am 6.7.2013 (oder in zeitlicher Nähe dazu) anzuberaumen und vorzubereiten. Dort wird es dann auch Gelegenheit geben, Verwaltungsrat und Kuratorium zu wählen. Auch diese geplante Mitgliederversammlung soll in Frankfurt stattfinden, der Gegenvorschlag Köln unterlag aber nur knapp in der Abstimmung darüber. Zum Abschluss der Versammlung ist noch eine sehr einfache Beitragsordnung verabschiedet worden. Der jährliche Mitgliedsbeitrag ist darin mit 36,- Euro festgelegt. Gegen 19:30 Uhr endete die Versammlung.

Ein schönes Bild vom gewählten Vorstand (und Antworten auf viele Fragen) findet ihr auf dem Projektblog.

Mein Telefon ist keine Waffe

Letzte Woche kaufte ich im Kaufhaus ein Küchenmesser. An der Kasse bat mich die Verkäuferin um meinen Namen und meine Adresse. – Verblüfft? Klar, das ist natürlich erfunden, aber beim Kauf von SIM-Karten für Mobiltelefone wundern wir uns über sowas inzwischen schon fast gar nicht mehr. Zu Unrecht, denke ich, denn schliesslich hört man doch schonmal, wie jemand mit einem Messer verletzt oder getötet wird, nie jedoch mit einem Mobiltelefon.

Im Gegenteil ist ein Telefon ein Instrument der Kommunikation. Das ist dieser Austausch zwischen Menschen, der zu einem sozialen Wesen dazugehört, wie die sprichwörtliche Luft zum Atmen. Ohne Brotmesser könnte ich wohl leben, ohne Kommunikation nicht.

Als ich vor einige Tagen bereits auf die unterstützenswerte Petition 38209, Mobilfunk – Aufhebung der Registrierungspflicht für Prepaid-Simkarten, hingewiesen habe, gab es viel Unterstützung aber auch zwei kritische Nachfragen:

„schon mal überlegt was dann alles möglich ist Kriminelle werden vor Freude weinen………DUMMER ANTRAG“ und „wie will man dann den inhaber der nr feststellen?“

Interessanterweise sind das beides offenbar rein theoretische Einwände, denn seit zwei Monaten wissen wir: „Registrierungszwang von Prepaid-Mobilfunkkarten sinnlos„. Der AK Vorratsdatenspeicherung hatte einen internen Bericht des BKA veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass „die aktuell bestehende Form der Bestandsdatenerhebungspflicht in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen ohne eine entsprechende Verifikationspflicht leer“ läuft.

Mit anderen Worten: alle Kriminellen, die ‚Donald Duck‘ oder ‚Micky Maus‘ angegeben haben, würden nicht vor Freude weinen, sondern wohl eher über den unbescholtenen Bürger lachen, der sich mit solchen Pseudoargumenten überwachen lässt. Und den Inhaber der Nummer feststellen? Wieso sollte man das denn tun wollen? Ist es denn so unvorstellbar, dass man mit einem Mobiltelefon genauso unüberwacht und ohne Pauschalverdächtigung kommunizieren will, wie zuvor ohne? Offensichtlich verfängt das ständige Terrorismusgeschwätz unserer Innenminister bei einigen Menschen schon so stark, dass sie den Zustand einer freien Gesellschaft mit freien Bürgern, deren Kommunikation nicht anlaßlos überwacht wird, gar nicht mehr auf dem Schirm haben. Also los, hoch mit dem digitalen Arsch und die Petition unterzeichnen, bis morgen (14.1.) geht das noch!

Und wenn diese Petition es dann noch nicht bewirkt haben sollte, dann kann man ja zum Erreichen des Ziels immer noch Piraten wählen, das nächste Mal am kommenden Sonntag in Niedersachsen, im Herbst dann in Bayern und für den Bundestag 😉

zum Partizipations-Transparenz-Dilemma

Neulich hat Michael Seemann (mspr0) einen interessanten Beitrag mit dem Titel „Das Partizipations-Transparenz-Dilemma“ veröffentlicht, dessen Kernbotschaft ‚Politiker sind (in Zukunft so entbehrlich) wie Taxizentralen‘ bei einigen auf Zustimmung gestoßen ist. In dieser Replik werde ich einige der Punkte etwas näher beleuchten und auch aus etwas anderer Perspektive darstellen. Ziel ist dabei primär, zwischen gefühlten und tatsächlichen strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft zu differenzieren.
Ungekennzeichnete, kursiv gesetzte Zitate sind aus dem genannten Artikel.

DAS #BEISPIEL
Neulich kam ich aus einem Restaurant. Ich hatte mit einem guten Freund gespeist und wir wollten noch weiter in eine Bar. Als ich zur Straße ging um ein Taxi zu rufen, hielt mich mein Freund zurück. Er zückte stattdessen sein Smartphone und startete dort ein Programm: eine Taxi-App. Nach anderthalb Minuten stand das Taxi vor uns.
Das Internet funktioniert Ende zu Ende. Es verbindet jede Person mit jeder Person, direkt, ganz ohne Vermittler. Eine Taxizentrale braucht es nicht mehr, wenn man eine App hat. Die Positionsdaten des Smartphones werden zusammen mit den restlichen Daten den Taxis in der Nähe angezeigt und können sofort bedient werden.
Klingt zunächst sehr plausibel. Aber tasten wir uns schrittweise voran, zuerst mit einer leicht von mir abgewandelten Variante:
‚Ich kam aus dem Restaurant, wählte auf meinem Mobiltelefon eine bestimmte Nummer und anderthalb Minuten später stand das Taxi vor mir.‘ – Klingt im Vergleich mehr nach Wählscheibe? ganz genau, soll es auch. Schauen wir nun nach Entfernen des Metallic-Lacks unter die Haube, um die Unterschiede genauer zu analysieren:
Früher ™ musste man die Nummer einer bestimmten Taxizentrale anrufen, dann gab man seinen Wunsch und Standort mündlich durch. Anschliessend übernahm dann die Zentrale die Vermittlung dieses Auftrags über den Taxifunk (http://de.wikipedia.org/wiki/Taxifunk). Die Einführung von GPS hatte auch hier bereits dafür gesorgt, dass in der Nähe befindliche Taxis bevorzugt werden. Der Taxifahrer musste natürlich in irgendeiner Form mit der (zumeist genossenschaftlich (!) organisierten) Taxizentrale verbunden sein und etwas dafür bezahlen.
In der neuen Welt klickt man die Taxi-App an (Moment, DIE App? Es gibt über 1000 Taxi-Apps im Android App-Market) trägt seine Zusatzwünsche ein (Standort wird ja vom Smartphone automatisch per GPS ermittelt) und fordert ein Taxi an. Anschliessend vermittelt dann die App diesen Auftrag über das Internet – allerdings genauso nur zu den teilnehmenden Taxifahrern, die z.B. bei myTaxi eine korrespondierende Fahrer-App auf ihrem Gerät haben müssen und dort pro Bestellung 79 cent an die myTaxi-Macher bezahlen [1]. Bonus-Goodie: auf der Karte sieht man, wie sich das Taxi dem eigenen Standort nähert.
Strukturell gesehen hat sich also nichts geändert, man könnte sagen, Apps (und ihre Firmen) sind die modernen Taxizentralen und Internet ist der moderne Funk. Apps (gerade die!) sind aber auch die modernen Gatekeeper, sie sind an sich weder dezentraler noch partizipativer als Taxizentralen. In einem späteren Satz irrt mspr0 sogar ganz konkret:
Wenn ich meinen Namen und meinen Standort der Taxizentrale weitergebe, dann wird sie nur an das eine Taxi weitergeleitet, das mich dann abholt. Die Taxi-App funktioniert aber nur deswegen, weil meine Daten an alle Taxis in der Nähe rausgehen und sich der betreffende Taxifahrer statt der Zentrale entscheidet, ob er mich bedient.
Beim Sprechfunk gingen früher ebenfalls die Aufträge an alle (teilnehmenden) Taxifahrer raus, und in den Zeiten vor GPS hat derjenige den Auftrag bekommen, der sich zuerst bei der Zentrale gemeldet hatte.

DIE #BAUSTEINE
Trotzdem ist dies ein gutes Beispiel, um zwischen strukturellen und  rein technischen Aspekten der digitalen Moderne zu unterscheiden:
Die Hauptinnovation ist hier zweifellos eine rein technische, nämlich das GPS, insbesondere die Tatsache, dass fast jeder Deutsche heutzutage einen GPS-Empfänger in seinem Mobiltelefon mit sich trägt. Denken wir uns das Internet mal weg, man könnte eine Taxi-App problemlos auch mit einem kombinierten GPS-Funk-gerät realisieren. Aber was ist nun mit Peer-to-Peer, also Teilnehmer zu Teilnehmer? Dies ist tatsächlich ein struktureller Unterschied, denn zu Zeiten von Telefonzentralen, die noch Vermittlungsstellen waren, konnte man erst miteinander sprechen, nachdem man miteinander verbunden worden war. Als Internet-Teilnehmer kann ich heutzutage prinzipiell jeden anderen Internet-Teilnehmer unvermittelt erreichen. Leider wird dies aber selten so in Reinform getan, und das liegt in der Vielfalt und Flexibilität der Technik begründet. Um miteinander in Kontakt zu treten, muss man sich ja vorab auf die Art und Weise einigen, man braucht einen sogenannten ‚Dienst‘. Skype ist so ein Dienst, oder E­-Mail, oder auch Napster. Bedauerlicherweise geht die aktuelle Entwicklung sogar im direkten Nachrichtenaustausch wieder von unvermittelten Diensten weg und hin zu solch modernen Telefonzentralen wie facebook und Twitter, ein sozial bedingter Retro-trend sozusagen. Weniger dezentral geht kaum. Auch im Taxi-Fall einigen wir uns übrigens mit der Auswahl der Taxi­-App im Vorfeld auf einen Dienst.
Neben dem GPS gibt es aber noch eine zweite, nicht so leicht erkennbare Veränderung und zwar in der Software-Entwicklung: die Serviceorientierte Architektur. Sie hat in vielen Dingen das zuvor herrschende Client-Server-Modell abgelöst, und ist nicht nur Vorbild für das App-Wesen (eine App pro Service), sondern auch für die von Apps benutzten Basis-Dienste, wie in diesem Falle die von der Taxi-App benutzten Kartendienste. Und damit all diese neuen Dienste auch aufeinander aufbauen können und sich miteinander vernetzen können, sind definierte Schnittstellen (z.B. API) das A und O.
Abschliessend könnte ich mir vorstellen, dass mspr0 im Taxi-Beispiel auch in der fallbasierten Abrechnung (statt sonst oft pauschaler Gebühr für die Zentrale), also sozusagen im ’service-on-demand‘ sowie in der Gesamtintegration der Dienstleistung einen wesentlichen qualitativen Fortschritt sieht.

#POLITIK IST WIE …
Aber weiter im Text: „Für meine Generation sind Politiker, Parlamente und Parteien sowas wie Taxizentralen. … Aber das, wozu sie da sind, lässt sich in absehbarer Zeit besser, effektiver und vor allem direkter erledigen.
Sind Politiker wirklich die Gatekeeper einer überholten, vermittlungsorientierten Politikdienstleistung? Ist ‚politics as a service‘ denn Realität oder wünschenswert? Und wenn ja, können wir diesen Dienst dann in die ‚human cloud‘ aka ‚crowd‘ aka ‚Schwarm‘ auslagern? Und: werden die Taxizentralen mspr0 für diesen Vergleich wegen Rufschädigung verklagen?
Nun, dieser Analogie liegen aus meiner Sicht einige Fehleinschätzungen zugrunde. Die schwerwiegendste ist die Gleichsetzung von ökonomisch  und politisch motiviertem Handeln. Ökonomisch meine ich hier im Sinne von anreizbasiert. Im Dienstleistungssektor funktioniert ein marktwirtschaftliche Einigung sicher gut. Nichts anderes macht ja unsere Taxi-App letztlich, allerdings interagieren hier auch autonome Kunden mit autonomen Anbietern hinsichtlich einer definierten Dienstleistung.  Und obwohl Wahlbörsen gut für die Erstellung von Wahlprognosen geeignet sind, ist Politik kein ökonomisches Verteilungsproblem. Der Gedanke, sie sei eines, ist in gewisser Hinsicht geradezu neoliberal und passt unbeabsichtigterweise gut zur ‚Überwindung‘ genossenschaftlich organisierter Taxizentralen. Fairerweise muss jetzt gesagt werden, dass auch die neue Technik eine genossenschaftliche Organisation durchaus ermöglichen würde, sofern man sie denn anstrebte.
Politik ist die Beantwortung der Frage, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen.
Darüber könnte man sicher lange wortklauben, für mich ist es eher ‚der von der Gesellschaft gestaltete Prozess der Gestaltung der Gesellschaft‘.

DIE NEUEN #GRENZEN
Die Möglichkeiten der Vermittlung und Einbeziehung des Volkes in den demokratischen Prozess ist begrenzt durch die Möglichkeiten der zur Verfügung stehenden Medien.
Selbst wenn man hier ‚Medien‘ im Sinne von Mittel bzw. Werkzeug liest, halte ich diese These für allzu steil und technokratisch. Meine bisherige persönliche Erfahrung ist eher die, dass diese Möglichkeiten begrenzt sind durch die Aufnahmefähigkeit des einzelnen Menschen und durch die Zeit, die jeder Bürger täglich für Politik aufwenden will. Sicher kann man hier sofort einwenden, dass dies nur in repäsentativen Demokratien so sei und eben nicht in der neuen taxizentralenfreien Politik. Aber genau das halte ich für einen Trugschluß. Zunächst wird man selbst bei bestem Erfolg den durchschnittlichen Bürger nicht dazu überreden können, mehr Zeit für Politik aufzuwenden als für andere Bereiche seiner Freizeit. Und gerade bei komplexen Sachverhalten muss man ja auch die Zeit berücksichtigen, die im Vorfeld einer informierten Entscheidung anfällt. Wichtiger aber noch ist dies: es ist eine Illusion, zu glauben, dass mit dem (imaginären) Wegfall der Mittler eine gleichwertige Reduktion der Komplexität im Hinblick auf eine politische Entscheidung beispielsweise durch einen neutralen Algorithmus oder eine neutrale Software erbracht werden kann. Dies liegt wesentlich darin begründet, dass es in der Politik auch um die Behandlung von Zielkonflikten geht. Darin unterscheidet sich Politik eben von einem Markt und auch von den Disziplinen der Mathematik. Wer glaubt man könne Demokratie ‚optimieren‘ und müsse nur ‚der Lösung‘ zu ihrem Recht verhelfen, der hat ein grundlegendes Problem im Demokratieverständnis. Demokratie tritt nicht an, um die besten Lösungen zu produzieren, sondern sie tritt an, trotz (!) der Anhörung aller Argumente noch eine Entscheidung in endlicher Zeit zu ermöglichen. Von einer EU-Parlamentarierin habe ich den schönen Satz in Erinnerung: „Das Thema war gerade erst dran, das kommt frühestens in 3 Jahren wieder auf die Tagesordnung.“
Bei dieser Reduktion von Komplexität und dem Sicherstellen, dass alle an der Entscheidung Beteiligten auch die vorgebrachten Argumente wahrnehmen konnten – dabei hilft uns das Internet leider nicht. Kann es auch positiverweise im verteilten Diskurs sehr viel leisten, so spitzt es andererseits das Problem der Einigung zu. Die simple Vorstellung einer direkten Demokratie ‚to the parliament‘ – sozusagen ein Briefkastenparlament mit 80 Millionen Adressen – ist nicht zielführend. Aus anderen Diskussionen kennen wir das Problem der Mikroöffentlichkeiten – es reicht nicht, wenn die Debatte nur in meiner eigenen solchen stattfindet.
Trotzdem kann und wird das Internet vieles auch in der Politik verändern und verbessern, von ‚information at your fingertips‘ bis hin zum politischen ‚crowdsourcing‘. Und ebenso trotzdem will ich ebenfalls mehr (humane) direkte Demokratie, nur bitte weder mit App-keepern als neuen Gatekeepern, noch mit unnötiger Technokratie.

#INSTITUTIONEN
Die Forderungen nach mehr Demokratie sind auch ein Mißtrauensvotum gegen die politischen Institutionen, den Taxizentralen der Politik.
Ja! Nur sollten wir ganz genau die Faktoren herausarbeiten, warum diese (oft föderalen) Institutionen nicht das leisten, was wir uns von ihnen gewünscht hätten. Ist es nur die Tatsache, ‚dass die Regierenden nicht das machen, was ich für richtig halte‘? Oder ist es eine allgemeine Verfestigung von Macht, wie in der Deutschland AG? Ist es das Unterschätzen der Auswirkung von Komplexität und Distanz, wie im Falle der EU? Oder ist es die Diskrepanz zwischen dem Entwicklungstempo der Institutionen samt ihrer Grundlagen (hier des Rechts) und dem der Gesellschaft?

DAS PARTIZIPATIONS-TRANSPARENZ-#DILEMMA
Liquid Democracy hat gezeigt, dass die Piratenpartei seit ihrer Entstehung eine logische Inkonsitenz mit sich schleppt. Ihre drei wichtigsten Grundwerte: politische Transparenz, politische Partizipation und Datenschutz wollen sich in dieser Trias nicht zusammenfügen.
Wie bereits weiter oben erwähnt, sehe ich Zielkonflikte nicht als logische Inkonsistenzen, sondern als Hauptexistenzberechtigung von Politik überhaupt. Sonst wärs ja einfach. Im vorliegenden Fall der PIRATEN sehe ich diese drei Ziele auch nicht als konfligierend an. Das liegt auch daran, dass für mich Privatsphäre (hier Datenschutz) und politische Transparenz die höherrangigen Ziele sind und ich zudem noch politische Partizipation vorrangig als Mittel zum Zweck einordne, nicht als Selbstzweck. Man könnte sagen: ich bin politisch parteiisch. Ob wir den Überwachungsstaat mit repräsentativer oder mit direkter Demokratie verhindern, ist mir vergleichsweise egal. Umgekehrt: wenn mir die direkte Demokratie den Überwachungsstaat bescherte, würde ich das bekämpfen. Aber das ist gar nicht das Problem, denn die oben erwähnte Trias steht nur dann miteinander in Konflikt, wenn man an alle drei Punkte ‚absolut‘ oder ‚unbedingt‘ dranschreibt – ein beliebter Fehler bei uns Polit-amateuren aus der Ecke der Bits und Bytes. Tatsächlich lohnen sich hier oft Bildungsausflüge in die Welt der Rechtswissenschaften mit Begriffen wie Abwägung und Verhältnismäßigkeit.
Ich behaupte, wir können sehr wohl alle drei genannten Ziele gleichzeitig in ausreichendem Maße verwirklichen!
Das aber geht nicht anders, denn – wie der Chaos Computer Club bereits 2008 so eindrucksvoll bewies – können Wahlen am Computer nicht beides gleichzeitig sein: nachvollziehbar und geheim.
Diese oft kolportierte Aussage – hier mit Bezug auf die konkrete ‚liquid feedback‘-Software (LQFB) – ist so pauschal natürlich falsch. In Erinnerungen einer Vorlesung über die Komplexitätstheorie in der Theoretischen Informatik  würde ich eine solchen Beweis auch für spektakulär halten – zum Glück behauptet nicht mal der CCC, das er dies getan habe. Stattdessen hat der CCC mit seinen Verbündeten gezeigt, dass unsichere und intransparente Wahlcomputer das Gebot der Öffentlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Wahlablaufs verletzen und unbemerkt manipuliert werden können.

#LIQUID FEEDBACK
Das Modell gerät aber in ein Dilemma, wenn man beginnt, diese Grenze zwischen Politiker und Bürger mit partizipativen Elementen zu verwischen. Liquid Democracy ist angetreten, genau das zu tun. In der Welt von Liquid Democracy ist jeder zumindest potentiell verantwortlich, weil jeder Delegationen auf sich versammeln kann.
Die LQFB-Software tut hier nichts anderes, als jedes Parteimitglied zum Politiker ‚herauf‘-zustufen, egal ob er will oder nicht. Sie müsste das nicht tun, denn wenn man eine Ablehnungsoption für eingehende Delegationen einbaute, könnte man selbst entscheiden, ob man ‚Bürger‘ bleibt oder ‚Politiker‘ wird. Man könnte auch einrichten (zB mit Einwegzertifikaten über die Clearingstelle), dass das Abstimmverhalten von Leuten mit nur einer Stimme weder länger als bis zur Auszählung plus einer Verifikationsfrist gespeichert wird noch, dass es mit konventionellen Mitteln überhaupt einer Person zuordenbar ist.
Klingt merkwürdig? Nicht wenn man die beiden Gründe kennt, aus denen dies bisher nicht gemacht wurde:
1) den Administratoren des LQFB-Systems soll man nicht vertrauen müssen, auch nicht ein kleines bisschen, und auch keiner Kontrollinstanz, niemandem. Um jegliche Manipulation der Admins auszuschliessen ohne alle zu Admins zu machen, gibt es den kompletten Datenbank-Auszug für alle, mit der Idee, dass jeder Teilnehmer jederzeit alle Auszählungen neu nachvollziehen und kontrollieren können soll und durch Vergleich untereinander verifizieren kann.
Stellen Sie sich vor, Sie schicken Ihren Hund im Winter vor die Tür und sagen ihm: „Tut mir leid, du kannst leider nicht drinnen im Warmen bleiben, denn dann wärst du von mir abhängig und das will ich nicht. Im übrigen ist es auch besser für dich, glaub mir, denn die meisten von uns befragten anderen Hunde wollen auch lieber draussen sein. Ausserdem hat die Abstimmung auf dem letzten internationalen Hundetag mit 80% der generellen Unabhängigkeit von Hunden zugestimmt.“
2) man unterstellt denen, die nur für sich selbst abstimmen wollen, dass sie ja IN DER ZUKUNFT eventuell Delegationen annehmen würden oder für ein Amt kandidierten, und dass DANN zur Beurteilung ihrer Person eine Rückschau auf ihr bisheriges Stimmverhalten erwünscht sei.
Primär durch diesen (perfiden) zweiten Punkt gibt es einen Widerspruch der flüssigen Partizipation gemäß LQFB zu der Dualität von transparentem Politiker und Datenschutz des einzelnen Parteimitglieds. Denn wenn man diesen Anspruch fallen ließe, würde man (sogar ganz ohne anonyme Beteiligungsmöglichkeit!) einen sehr großen Fortschritt in der Datenschutzkonformität der LQFB-Anwendung machen.

LIQUID #DEMOCRACY
Liquid Democracy ist das Ende der Trennung von Privatheit und Politik. Viele Piraten haben deswegen Angst,…
Non sequitur, unzulässige Verallgemeinerung oder jumping to conclusions – wie auch immer, diese Behauptung ist schlicht falsch. Als Gegenbeweis reicht es schon, sich Liquid Democracy mit Stimmzetteln aus Papier und mit dezentralen Wahlkabinen vorzustellen (unschön aber möglich). Warum sollte auch die bloße Mischung von repräsentativer und direkter Demokratie auf einmal solche Eigenschaften entwickeln? Das Ende der privaten Politikbeteiligung kann höchstens durch die Festlegung auf ein konkretes  Verfahren erzwungen werden, und genau das ist auch hier der Fall. Liquid Democracy in der Realisierung ALS ZENTRALER WAHLCOMPUTER IM INTERNET stellt einen heutzutage tatsächlich vor das Wahlcomputer-Problem – wenig überraschend. Und zur Angst: ich persönlich habe keine Angst, ich lese aber Geschichtsbücher und möchte darüberhinaus auch als abstimmender Bürger nicht mit der Frage bedrängt werden: „du hast doch nichts zu verbergen, oder ?“. Zudem bin ich geduldig genug, Liquid Democracy erst dann maßgeblich einzusetzen, wenn die Implementierung meinen Anforderungen genügt.

POST #PRIVACY
Transparenz ist der Preis dafür, wenn man Prozesse dezentral und partizipativ organisiert.
Wie ich weiter oben gezeigt habe, ist das Taxizentralenbeispiel gerade kein Beleg für diese These und die vielen Millionen Menschen, die sich in der Vergangenheit im Internet getummelt haben, würden dies so wohl auch nicht unterschreiben, war es doch gerade das Internet, dass zum ersten Male in diesem Umfang einen anonyme Beteiligung an praktisch jedwedem Projekt oder Diskurs ermöglicht hat. Ich kann sogar am Linux-Kernel mitprogrammieren ohne elektronischen Personalausweis, von Selbsthilfeforen ganz zu schweigen. Nur wenn man an seine Projekte bestimmte hohe Anforderungen stellt, wie z.B. die Gleichheit und Nachvollziehbarkeit einer Wahl, muss man eventuell auf Anonymität verzichten. Die Piratenpartei wurde großteils über das Internet organisiert, dennoch steht unsere Mitgliederdatenbank nicht öffentlich im Internet. Der allgemeine Trend zur Veröffentlichung persönlicher Daten bei facebook und co. ist jedenfalls nicht der Preis für irgendwas, sondern einfach nur der (immer seltener) freiwillige Verzicht auf den Anspruch nach §13(6) TMG, weil viele Menschen solche sozialen Netze nicht pseudonym benutzen WOLLEN und es ja auch wenig Sinn macht, bei der Nachbildung seiner vorhandenen persönlichen Freundeskreise auf einmal einen neuen Namen zu benutzen.
Eine Mehrdeutigkeit besteht anscheinend im Begriff ‚dezentral‘. Nur weil das Internet ein dezentrales Netzwerk ist, ist die Wikipedia m.E. nicht ‚dezentral organisiert‘, sondern (früher) weitgehend hierarchiefrei. Sie mag emergent und selbstorganisiert entstanden sein, dennoch ist sie als Nachschlagewerk zentral aufgebaut. Dezentrale Beteiligungsmöglichkeit besteht im Internet immer, deswegen würde ich aber nicht alle über das Internet erreichbaren Projekte als ‚dezentral‘ klassifizieren.
In jedem Fall musste ich auch früher schon so transparent sein, wie es das jeweilige Vorhaben erforderte, ob ich im Fußballverein war oder an der Warenterminbörse gehandelt habe. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Neu ist allenfalls, dass ich meinen Standort neben der Taxizentrale auch gleichzeitig den app-platform-gatekeepern Google oder Apple anzeige.

#FAZIT
Und deshalb ist der Grundtenor des hier behandelten Artikels auch falsch. Die Protagonisten des arabischen Frühlings für ‚post privacy‘ einzuspannen ist geradezu abwegig, wenn man an politische Verfolgung denkt. Die friedliche Revolution von 1989 in unserem eigenen Land benötigte vielleicht das Westfernsehen, aber kein Internet.
Das Partizipations-Transparenz-Dilemma ist alter Wein in neuen Schläuchen. Unsere neuen Taxizentralen sind selbstgewählt (Google) oder selbstgestaltet (LQFB). Aus dieser Verantwortung können wir uns nicht mit vorgeblichen Zwängen herausstehlen. Der Gestaltungsspielraum ist da, wir müssen ihn nur nutzen.

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Erklärung zum Auftakt des 3. Korbs der Urheberrechtsnovelle

Die versuchte Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter durch den Gesetzgeber muss zum jetzigen Zeitpunkt als gescheitert angesehen werden. Nach Jahrzehnten der Verschärfung des Urheberrechts auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene ist ein ernsthaftes Bemühen um die Auflösung der anhaltenden Konflikte und um ein menschenfreundliches Urheberrecht entweder nicht erkennbar oder wird von wirtschaftlichen Interessen bestimmter Lobbygruppen verhindert. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Bankrotterklärungen des aktuellen Wirtschafts- und Finanzsystems müssen Gemeinwohl und menschliche Werte vorrangige Ziele einer Umgestaltung der gesetzlichen Regelungen sein und nicht die Gewinnmaximierung zugunsten marktbeherrschender Akteure. Recht und Wirtschaft dienen dem Menschen, nicht umgekehrt.

Die Mittel des Internets schaffen neue Möglichkeiten der Beteiligung, Mitbestimmung und Selbstverwirklichung deren Nutzen oft in unbezahlbaren Kategorien wie Zufriedenheit und Glück liegt. Die maximale Förderung dieser Möglichkeiten muss das Ziel einer gemeinwohlorientierten Politik sein. Dies schließt ein profitables, marktorientiertes Wirtschaften auf dem Gebiet immaterieller Güter keineswegs aus. Ein Fortschreiben der hergebrachten Regelungen liegt im übrigen aber auch nicht im Interesse der allermeisten Urheber, seien sie an einer wirtschaftlichen Verwertung ihrer Werke interessiert oder nicht. Der Gesetzgeber mus hier endlich seiner eigentlichen Aufgabe nachkommen und die notwendigen Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Grenzen für ein solches Wirtschaften schaffen. Beispielsweise darf das Problem des Micropayment nicht ausschließlich den wirtschaftlichen Akteuren selbst überlassen werden, sondern es muss eine bargeldähnliche, möglichst anonym nutzbare, elektronische Bezahlmöglichkeit geschaffen werden.

Die neuen Techniken und Medien bringen auch neuartige Eigenheiten mit, die berücksichtigt werden müssen. Hat man früher einen Brief verschickt, so wird heute ein E-Mail and den Empfänger faktisch kopiert. In diesem Zusammenhang muss die Vervielfältigung als gewährtes Verwertungsrecht bei digitalen Werken grundsätzlich in Frage gestellt werden, zumal, wenn dessen Durchsetzung in Konflikt mit dem Kommunikationsgeheimnis oder anderen höherrangigen Rechten gerät. Die Unfähigkeit oder der Unwille hier gesetzgeberisch klare Verhältnisse zu schaffen ist nicht nur bürgerrechtlich fatal sondern begünstigt auch einen ruinösen Feldzug gegen die eigenen oft minderjährigen Bürger und deren Familien, an dem primär skrupellose Abmahnanwälte verdienen. Im Streit um das Urheberrecht stehen allzuoft die eigentlich nachrangigen Unterhaltungsmedien im Vordergrund. So sind im ersten und zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle bildungs- und forschungsfeindliche Regelungen entstanden, die es dringend zu korrigieren gilt. Gerade in Deutschland sind Bildung und Wissen schliesslich wesentliche wohlstandssichernde Faktoren unserer Zukunft. Jegliche Einschränkung auf diesem Gebiet lastet künftigen Generationen zusätzlich zu existierenden Schuldenbergen noch eine weitere schwere Hypothek auf.

Die Piratenpartei fordert eine mutige und zukunftsweisende Neuregelung des Urheberrechts auf der Grundlage der Anerkennung der durch die digitale Revolution und die weltweite Vernetzung geschaffenen Fakten. Die deutsche Regierung darf sich hier nicht auf die Erfüllung von ihr selbst mitgeschaffener EU-Direktiven zurückziehen. Den jeglicher Demokratie spottenden Versuchen, auf internationaler Ebene weitere Verschärfungen im Urheberrecht insgeheim durchzudrücken – wie beispielsweise im aktuellen Fall ACTA – muss sofort und entschieden eine generelle Absage erteilt werden.

(ebenso bei der Piratenpartei veröffentlicht)

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denn sie wollen es nicht verstehen

Ein running gag unter meinen Freunden ist die sogenannte ‚Aber trotzdem‘-Fraktion. Das sind diejenigen Menschen, denen man lang und ausführlich perfekte Argumentationsketten vorträgt, um dann ihre just entkräftete Meinung erneut zu hören, nur mit einem vorangestellten ‚aber trotzdem‘. Neudeutsch nennt man solche Menschen wohl merkbefreit, es nützt halt das beste Argument nichts, wenn es nicht vermittelbar ist und die Voraussetzungen dafür müssen eben auf beiden Seiten vorhanden sein. Aber bevor ich hier zu sehr in die uns Internetnutzern inzwischen oft vorgeworfene Arroganz der Internetversteher verfalle, sei zum einen den nicht der beschriebenen Fraktion angehörenden der Artikel von Udo Vetter zum Thema ans Herz gelegt und zum anderen erklärt, dass sich der Rest dieses Textes darin versucht, Internetsperren einfacher zu erklären als das eigentlich möglich ist (!). Ihr seid herzlich eingeladen, Eure eigenen derartigen Slogans in den Kommentaren beizusteuern.

Internetsperren gegen illegale Webangebote ist wie…

Internetsperren gegen illegale Webangebote ist wie wenn man alle privaten Telefonate vom BKA mithören lässt, um genau in dem Moment ein Piepsen einzublenden, wenn einer ‚Arschloch‘ sagt.

Internetsperren gegen illegale Webangebote ist wie wenn man einen See zubetoniert, nur weil dort Angeln verboten ist.

Internetsperren gegen illegale Webangebote ist wie wenn in jeder Küche ein Polizist steht, der einem jedesmal in den Arm fällt, sobald man das Brotmesser aus dem Schrank nimmt.

Internetsperren gegen illegale Webangebote ist wenn das BKA zu faul ist, den ganzen Anzeigen nachzugehen und stattdessen die angezeigten Seiten einfach ausblendet.

Internetsperren gegen illegale Webangebote ist wie wenn Jugendliche gar nicht mehr in den Supermarkt reingelassen werden, nur weil dort auch alkoholische Getränke im Regal stehen, die sie nicht kaufen dürfen.

Internetsperren gegen illegale Webangebote ist wie eine Strassensperrung in Bottrop, weil man über diese Straße letztlich auch nach Nordkorea fahren könnte.

to be continued…

innere Zerissenheit

Die Zeitungsverlage machen sich Sorgen und sie machen uns Sorgen. Sie machen uns Sorgen, indem sie über uns schreiben und uns als Boten für die überbrachte Nachricht verantwortlich machen. Wie und worüber sie sich selbst Sorgen machen zeigt beispielsweise der in Verlagsfragen offen ausgetragene Konflikt zwischen dem Online– und dem Printbereich der Redaktion der ZEIT. Welcher dieser drei Artikel auch in der Printausgabe erschienen ist, läßt sich leicht nach wenigen Sätzen erkennen: [1],[2],[3]. Im Gespräch mit einzelnen Redakteuren wird der innerredaktionelle Konflikt auch nicht geleugnet, die Jüngeren finden sich im Online-Bereich wieder, die älteren im Printbereich und sind befremdet, dass erstere ab und an die Hand beißen, die sie doch bezahle. Die vierte Gewalt ist in eigener Sache befangen.

Dabei zeigt dieser Stellvertreterkrieg vor allem eines: dem Wandel der Kommunikationsmedien wird man sich nicht entgegenstellen können. Auch Sondergesetze wie sie von Herrn Burda zuletzt gefordert wurden, haben noch selten einen gesellschaftlichen Übergang zum Halten gebracht. Darüberhinaus verliert man rapide die Unterstützung der Autoren, wenn man wie die FAZ agiert.

Die Krise der Zeitungsverlage zeigt sehr deutlich, dass die von Musik- und Filmindustrie immer wieder gebetsmühlenartig vorgetragene Argumentation vom bösen Filesharing, das man nur beseitigen müsse, eben nichts anderes als ein Pfeifen im Walde der Informationsgesellschaft ist, mit dem man sich auch selbst gerne einreden möchte, dass es ein Zurück zum gestern gebe – zur Not mit einem Gesetz zur Bekämpfung der Zukunft in Kommunikationsnetzen (Zukunftserschwerungsgesetz).

Narrenparadies

Ich habe heute mit mehreren Zeitungsjournalisten ausführlich telefoniert. Einem (Zeitung, Frankfurt) habe ich erzählt, dass ich auf dem Weg zum Bäcker inwischen von drei verschiedenen Kameras gefilmt werde, leider konnte er darin nichts Negatives erkennen. Dies mag erklären, warum ich anschliessend beim Lesen des folgenden Textes umso mehr entzückt war:
Die Riesenwandkarte der Überwachung“ (Elisabeth Blum 13.08.2005) – unbedingt ganz lesen! Jetzt!

Der folgende Teil dieses Textes beleuchtet dabei ein interessantes Detail des Gesetzes über Internetsperren (#Zensursula):
„Terror in diesem Sinne sei gleichsam „das Gesetz, das nicht mehr übertreten werden“ kann. Wo Terror herrsche, sei eine Auseinandersetzung über Freiheit schon darum „so außerordentlich unergiebig“, weil seine Vertreter an menschlicher Freiheit, was das gleiche meine wie „Freiheit menschlichen Handelns“, nicht nur nicht interessiert seien, sondern sie für gefährlich hielten.“

Es reicht nämlich einfach nicht mehr, dass die verbotene Handlung verboten ist und verfolgt und bestraft werden kann, man will sie unbedingt technisch unmöglich machen. Ein Aspekt der technischen Durchsetzung von Recht, der abseits des Internets bisher(!) nur selten propagiert wurde, den wir aber in Zukunft sicher öfter antreffen werden.
Ein Aspekt der uns ganz im Sinne der Tyrannei des Guten die dem Menschen jederzeit innewohnende Entscheidungsfreiheit zwischen Gut und Böse fürsorglich abnehmen möchte, der damit letzlich Moral überflüssig macht.

kleines Piratenurheberrecht

Immer mehr Menschen interessieren sich für unsere Vorschläge zum Urheberrecht. Oft werden dabei leider falsche Informationen verbreitet, wir wollten ‚das Urheberrecht abschaffen‘ oder gar ‚Eigentum abschaffen‘.

Da die komplette Norm Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte leider selten auf Interesse stößt, will ich hier mal exemplarisch und unverbindlich 3 unserer Forderungen in Gesetzestextvorschläge giessen. Dies sind die erweiterte Privatkopie, die Fristverkürzung und die Rücknahme des gesonderten Schutzes von Kopierschutzmassnahmen.

Piratenfassungen:

§ 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch

(1) Zulässig sind Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht.
(2) Zulässig ist, Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen

1. zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und sie keinen gewerblichen Zwecken dient,
2.  zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird,
3.  zur eigenen Unterrichtung
4.  zum sonstigen eigenen Gebrauch,
a) wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind,
b) wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.
c) wenn es sich um ein in digitaler Form vorliegendes Werk handelt.

Dies gilt im Fall des Satzes 1 Nr. 2 nur, wenn zusätzlich

1. die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung vorgenommen wird oder
2. eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet oder
3. das Archiv keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgt.

(3) Zulässig ist, Vervielfältigungsstücke von kleinen Teilen eines Werkes, von Werken von geringem Umfang oder von einzelnen Beiträgen, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen oder öffentlich zugänglich gemacht worden sind, zum eigenen Gebrauch

1. zur Veranschaulichung des Unterrichts in Schulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in Einrichtungen der Berufsbildung in der für die Unterrichtsteilnehmer erforderlichen Anzahl oder
2. für staatliche Prüfungen und Prüfungen in Schulen, Hochschulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in der Berufsbildung in der erforderlichen Anzahl herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist. Die Vervielfältigung eines Werkes, das für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt ist, ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
(4) Die Vervielfältigung
a) graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,
b) eines Buches oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im wesentlichen vollständige Vervielfältigung handelt,

ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig oder unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4.
(5) Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 sowie Absatz 3 Nr. 1 finden auf solche Datenbankwerke mit der Maßgabe Anwendung, dass der wissenschaftliche Gebrauch sowie der Gebrauch im Unterricht nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgen.
(6) Die Vervielfältigungsstücke dürfen nicht zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Mit Ausnahme von in digitaler Form vorliegenden Werken dürfen sie auch nicht verbreitet werden. Zulässig ist jedoch, rechtmäßig hergestellte Vervielfältigungsstücke von Zeitungen und vergriffenen Werken sowie solche Werkstücke zu verleihen, bei denen kleine beschädigte oder abhanden gekommene Teile durch Vervielfältigungsstücke ersetzt worden sind.
(7) Die Aufnahme öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf Bild- oder Tonträger, die Ausführung von Plänen und Entwürfen zu Werken der bildenden Künste und der Nachbau eines Werkes der Baukunst sind stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.

§ 64 Allgemeines

Das Urheberrecht erlischt 10 Jahre nach Veröffentlichung des betreffenden Werkes. Bei unveröffentlichten Werken erlischt es mit dem Tod des Urhebers.

§ 95a Schutz technischer Maßnahmen

entfällt komplett


Viel Spaß beim Vergleichen mit den heute gültigen Fassungen!

Politikredaktionen

in aller Kürze: wer sitzt eigentlich heute in den Politikredaktionen? Sind das nur noch verhungernde Politikstudenten? oder dressierte Schimpansen, die alle paar Sekunden auf einen mit ‚Durchwinken‘ beklebten Knopf drücken? oder vielleicht einfach Leute, die viel Geld von der GEMA bekommen?

Ich bin ja wahrlich nicht kritisch, bei regionalen Zeitungen oder kleinen Blättern, aber heute wurde ich doch erneut stutzig, als ich unter den Artikeln vom Wochenende als Steckbrief zur Piratenpartei überall folgendes lese:

„Die Piratenpartei Deutschland wurde im September 2006 in Berlin gegründet. Vorbild war die schwedische Piratpartiet, nach der in verschiedenen europäischen Ländern solche Gruppierungen entstanden. Ihr Hauptanliegen ist die informationelle Selbstbestimmung und der freie Zugang zu Wissen und Kultur im Internet – auch das illegale Kopieren von Netzinhalten.  …“

(Google: „Die Piratenpartei Deutschland wurde im September 2006 in Berlin gegründet. Vorbild war die schwedische Piratpartiet“ ergibt über 300 Treffer)

Der Stern nennt immerhin die Quelle dieses Steckbriefs: dpa – wer hätte das gedacht! – Die Financial Times Deutschland ist sich nicht zu schade, dafür keine Quelle zu nennen und sich somit selbst dafür verantwortlich zu machen.

So, liebe Politikredakteure: Überraschung, wir sind gar nicht für das illegale Kopieren von Netzinhalten! (abgesehen davon gibt es keine ‚Netzinhalte‘, aber lassen wir das)

<Politik für Politikredakteure und dpa-Mitarbeiter>

Genausowenig ist die CDU für die illegale Christianisierung Deutschlands oder die FDP für die illegale Abschaffung des sozialen Netzes und auch die GRÜNEN wollen nicht illegal die Atomkraftwerke schliessen. Das ist nämlich das Wesen von Parteien, die wollen das alles legal machen, indem sie die entsprechenden Gesetze ändern, nennt sich Legislative und hat was mit diesem Parlament zu tun.

</Politik für Politikredakteure und dpa-Mitarbeiter>

So und nun bräuchte ich noch ne Auskunft, ob man über abuse@dpa.com jemanden erreicht, damit der diesen Blödsinn aus deren Meinungsmonopolarchiv mal korrigiert…

Subventionsdatenschutz

Jaja, der Bildungsstreik (ich war dabei!) und die SPD, die sich (und uns!) ihr eigenes Zensurgrab schaufelt und außerdem noch der Iran, ich weiß, was hier so stehen könnte. Aber bevor es untergeht muss ich kurz erläutern, warum ich mich freue, dass nun auch der zögerliche Deutsche Staat (mit Ausnahme Bayerns), die Liste der Agrarsubventionsempfänger im Internet veröffentlicht hat.

Im Vorfeld der Europawahl bin ich oft gefragt worden, welche Relevanz die Themen der Piratenpartei für dieses und jenes haben. Und dieses Problem hier berührt gleich zwei unserer ureigenen Themen, nämlich Transparenz und Datenschutz. Kurzum, diese beiden Belange stehen hier keineswegs im Widerspruch, obwohl uns die Subventionsempfängerlobby dies natürlich gerne weismachen will, schliesslich ist im Zuge von Mitarbeiterüberwachung und anderen Skandalen das Bewusstsein dafür etwas gestiegen, dass Datenschutz auch was Gutes ist – nämlich um die Menschen zu schützen, ihre Selbstbestimmung und Privatsphäre.

Keineswegs allerdings läßt sich der Datenschutz gleichermaßen anführen, wenn es um Unternehmen geht, erst recht nicht, wenn diese Gammelfleisch vertreiben, Maut-Verträge mit dem Staat abschliessen oder Agrarsubventionen aus Steuergeldern kassieren. Nicht umsonst heißt es in Artikel 1 GG: „Die Würde des _Menschen_ ist unantastbar.“ Unternehmen haben keine Würde.

Der Schutzanspruch der Unternehmer als Menschen geht mitnichten auf ihr Unternehmen über. Dies ist mißverstandener Datenschutz. Bleibt allein der Grundsatz der unternehmerischen Freiheit und der Grundsatz der Datensparsamkeit: beide müssen hinter dem Interesse der Steuerzahler zurücktreten, sobald ein Unternehmen Steuergelder geschenkt bekommt. Nur so kann gesellschaftliche Kontrolle überhaupt funktionieren, Transparenz ist unsere mächtige Waffe gegen Mauschelei, Lobbyismus, und Vetternwirtschaft und zeigt uns Fehlentwicklungen auf.

Und dass diese Agrarpolitik der Europäischen Union eine Fehlentwicklung darstellt, werden nun wohl deutlich weniger Leute bezweifeln als zuvor.