Executive Summary (für die Guttenbergs unter uns): Der Zweck heiligt nicht die Mittel.
In den gestrigen Nachrichtenbeiträgen der Tagesschau hat unser neuer Wirtschaftsminister mit fogendem denkwürdigen Satz seine bisherige Unkenntnis der Gründe des Protests dokumentiert. „Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben“
Bemerkenswerterweise kann man dem so wörtlich sogar zustimmen: Wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass die Gegner des vorliegenden Gesetzentwurfs Menschen seien, die sich gegen die Sperrung kinderpornografischer Inhalte sperren, dann machte mich das ebenfalls sehr betroffen. Nur leider läßt seine Kabinettskollegin von der Leyen keinen Versuch aus, genau diesen Eindruck zu erwecken und befindet sich damit in der CDU in bester Gesellschaft. Nun, Herr Guttenberg, nehmen Sie also bitte die beiden folgenden wesentlichen inhaltlichen Kritikpunkte an dem Vorhaben zur Kenntnis:
1) Der Gesetzentwurf verstößt in offensichtlicher Weise gegen die Prinzipien des Rechtsstaat und der Gewaltenteilung:
Eine geheime Sperrliste beim BKA, vom BKA erzeugt und geführt und durch das BKA vollstreckt ist methodisch im Bereich totalitärer Staaten anzusiedeln. Es Bedarf einer richterlichen ständigen Überprüfung aller gelisteten Adressen und einer Auskunfts- und Widerspruchsmöglichkeit, gerade weil wir bereits aus der Erfahrung anderer Staaten wissen, dass die weitaus meisten unterdrückten Websites von unschuldigen Bürgern betrieben werden und ausschliesslich mit völlig legalen Inhalten bestückt sind. Sich bei der Argumentation für eine solche Liste ausschliesslich auf Informationen des BKAs selbst zu verlassen, zeugt zudem von einer Blauäugigkeit, die demokratiegefährdend ist.
2) Das Ausblenden von Webseiten (durch DNS-Manipulation) ist gänzlich ungeeignet zur Bekämpfung von Kinderpornografie.
Mit dem Aufstellen von Stoppschildern wird überhaupt nichts bekämpft, es wird nur etwas unzureichend ausgeblendet. Jeder, der sich auch nur 20 Minuten mit dem Thema ernsthaft befasst weiß:
- dass das öffentliche WWW gar nicht der Schauplatz von Kinderpornografie ist
- dass das Herausreißen von Seiten aus Telefonbüchern (DNS) nicht das gleiche ist wie die Sperrung eines Telefonanschlusses
- dass pädophiles Verhalten nicht durch ‚Anfixen‘ entsteht
- dass bei Bekanntsein von solchen Internetangeboten eine Bekämpfung darin bestünde, dass man die Seiten und das Material vom Netz nimmt und die Schuldigen strafrechtlich verfolgt, und nicht stattdessen ein Stoppschild davor stellt, das die Betreiber warnt und eine Bekämpfung sogar erschweren kann.
- dass der tatsächliche Mißbrauch der Kinder selbst durch die (hypothetische) völlige Ausblendung seiner Dokumentationen in keiner Weise bestraft, gesühnt oder auch nur verfolgt wird.
Es ist sehr bedauerlich, dass man dem Gesetzgeber immer öfter die Grundlagen unseres Staates vorhalten muss, wie hier das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es verlangt von jeder Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, dass sie einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und überdies geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn (auch „angemessen“ genannt) ist.
Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Minister gibt, die sich gegen die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien sträuben.